Leben und Wirken der hl. Aldegundis

Vorbemerkung

Zum Leben und Wirken der heiligen Aldegundis werden viele – oft unterschiedliche – Geschichten erzählt, häufig in legendenhafter Form. Der Tod unserer Heiligen liegt mittlerweile fast 1.350 Jahre zurück. Und in dieser langen Zeit ist Manches „weitergesponnen“ worden.
 

St. Aldegundis – Ihr Werdegang von Cousolre nach Maubeuge (F) – Zeugin früher Christen in einer Umbruchszeit

Dr. Hans Jürgen Arens aus Emmerich, Gildemeister der St. Jakobus- und Johannes-Gilde e.V. Emmerich, und vielfacher Autor zu kirchlichen und geschichtlichen Themen, hat sich der Lebensgeschichte der heiligen Aldegundis intensiv angenommen.
Es erfolgte ein intensiver Austausch mit Fachleuten aus dem Raum Maubeuge.

Hier insbesondere mit Professor Jean Heuclin, ehemals an der Universität Lille tätig und im Geburtsort unserer Heiligen, in Cousolre, wohnhaft.

Frau Frédérique Alessi, Mitglied des Fördervereins der St. Aldegundis-Kapelle in Maubeuge (Société Chapelle Sainte Aldegonde) gab wertvolle Hinweise und erleichterte die Kommunikation dank ihrer Französisch- und Deutschkenntnisse.

Wir danken Herrn Dr. Arens und allen Beteiligten, die uns auf diese Weise Leben und Wirken von St.Aldegundis näher bringen und einen Einblick in die Zeit vor über 1.300 Jahren gestatten.

Das Ergebnis der Forschungen von Dr. Arens liegt jetzt vor und sind nachfolgend einsehbar.
Alternativ kann die Arbeit mit diesem >Link im Originalaufgerufen werden.

Bedeutung der Hl. Aldegundis
Historisch fundiert - Hinweise, Vorbild für unsere aktuelle Zeit

Die Heilige Aldegundis ist in einer Umbruchszeit, in der Zeit nach dem Zusammenbruch des römischen Imperiums und den politischen Neugruppierungen in den Vorläufergebieten des karolingischen Reiches geboren. Seit den 1980iger Jahren werden ältere Dokumente ab 715/20, also 30 Jahre nach dem Tod von Aldegundis zu Rate gezogen, die im 19. Jahrhundert nicht beachtet wurden. Es geht um die „vita prima“, die sich auf das kanonische Recht merowingischer Konzilien bezieht und in dessen Konvoluten publiziert wurde. Die Forschungen seit den 1980er Jahren zeigt eine andere Genealogie, weil fälschlicherweise ein Walbert de Ponthieu (I..> IV.) als Vater geführt wurde. Heute weiß man anhand der Unterlagen, daß der Vater von Aldegundis, ebenfalls Walbert genannt und Verwalter der Fiskalgrundstücke (vita prima) war; ihre Mutter hieß Bertilla und war eine Prinzessin aus Neustrien. Ihre Eltern lebten im Dorf Cousolre, an der Grenze zwischen Neustrien und Austrasien. Ihre Onkel Landri und Gondeland waren Bürgermeister des Palastes von Clothar II. (+629) und Dagobert (+639).

1. Biographische Angaben

Die spätere Heilige Aldegundis ist im Zeitraum von 629 bis 630 in Cousolre (heute F, früher Hennegau) geboren. und starb am Karsamstag 684. Sie wurde zunächst im Grab Ihrer Eltern in Cousolre begraben. Das Patrozinium wird am 30.1. eines Jahrs begangen, an dem Tag ihrer Nach-Bestattung in Maubeuge.
 

Die Geschichte der Vorgängerreiche des Karolingerreiches, nämlich von Neustrien (Gebiet zwischen Loire und Schelde) und Austrasien (Gebiete an Rhein, Maas, Mosel) ist komplex, weil diese Regionen herrschaftlich zeitweilig getrennt und dann wieder vereint waren und Verbindungen und Kämpfe in verschiedenen familiären Konstellationen wirkten. In diesem Geflecht von versippten und sich bekämpfenden Familien ist die Familie von Aldegundis zu finden. Diese Region ist dann endlich im Reich Karls des Großen vereinigt worden.
 

Die Eltern von Aldegundis, hatten noch eine ältere Tochter Waltraud, die sich verehelichte, mit ihrem Ehemann Vinzenz zwei Töchter hatte und später ein Kloster in Mons (heute Belgien) gründete. Waltraud und Vinzenz werden als Heilige verehrt.
 

Reste des Hauses der Familie von St. Aldegundis – 10. Jh
  Spuren-aus-dem-OratoriumSpuren aus dem 7. Jh.; - Oratorium
 

2. Geistliche Strömungen im 7. Jahrhundert

&Das Christentum kam auf römischen Verkehrswegen seit dem 2. Jh. in urbane Regionen Zentraleuropas. Ländliche Regionen erfuhren nur rudimentär oder nichts von dem christlichen Glauben. Zudem gelang die kirchliche Hierarchie mit den zugrundeliegenden römischen Verwaltungsstrukturen in weltlich orientierte Macht. Hierarchien (verheiratete Bischöfe etc.) trugen den Glauben. Das religiöse Leben verflachte oder verdunstete. Hier hatte das iroschottisch geprägte Christentum ein Gegengewicht: es legte großen Wert auf persönliche Beziehung zu Gott, auf Armut und die Peregrinatio propter Christum (Pilgern), die Ungebundenheit an Besitz und Macht, Selbstkontrolle (Buße).
 

Iroschottische Mönche kamen zunächst als einzelne Wandermönche zum Festland. Mit Columban von Luxeuil kam erstmals ein iroschottischer Mönch auf das Festland, der mit Unterstützung fränkischer Adliger über 100 Klöster gründete, die als geistliche Zentren auf dem Lande fruchtbar wirkten und so erste Grundlagen in nachrömischer Zeit einer europäischen Kulturlandschaft außerhalb der Städte schufen. In Austrasien gründete er die Klöster Annegray, Luxeuil und Fontaines. Die Schulen dieser Klöster wurden von Kindern Adliger hochgeschätzt und besucht.
 

Columban wirkte weiterhin in der Lombardei (Abtei Bobbio), in der Schweiz (Bodensee).
 

In diesen Zeiten prägten irische Mönche um den hl. Columban die Spiritualität, die durch strenge Askese geprägt war. Diese Welt der Mönche stand stark im Gegensatz zu den alten Strukturen, die auf römischen Senatorenfamilien beruhten und eigene Politik trieben. Der Ansatz der irischen Mönche war ein anderer. Es ging um die konsequente Nachfolge Jesu: „nur wer auf seine ganze Habe verzichtet, ist Christi würdig (Lukas, 14, 33). Das Streben der Mönchsgemeinschaft waren die Gottbezogenheit und Dienst am Mitmenschen. Das Motiv fanden die Mönche im Bemühen um die ewige Heimat und in der Kreuzesfrömmigkeit.
 

Bereits in der frühen Kirche gab es Organisationsstrukturen, um alleinstehende Frauen und Witwen zu schützen. Es entwickelte sich ein Stand, in dem Frauen sich nach biblischem Vorbild sozial engagierten und nicht wieder heiraten, also Jungfräulichkeit versprachen. Dafür war keine sakramentale Konsekration erforderlich. Jedoch wurde und wird heute noch die Jungfrauenweihe durch das Gebet und Schleierauflegung durch einen Bischof vorgenommen.

Dieses Lebensmodell wurde von Ambrosius von Mailand und Hieronimus unterstützt und geprägt: Absage an die Ziele der Welt, Schleier tragen, Nähe zur Kirche, ausrichten des Lebens auf Gebet, Almosen geben, Psalmen singen und die Schrift lesen.
 

Diese Gruppierung war stark auf Mitglieder der Aristokratie ausgerichtet. Als Modell für alleinstehende Jungfrauen diente diese Struktur bis in das Mittelalter und impliziert soziales Engagement, Wechsel der gewohnten Lebensart; dies drückte sich dann auch in der Kleidung, Buße, Askese, Enthaltsamkeit aus. Ein Bischof verlieh den Schleier an die Postulantinnen, damit sie so auch erkannt und respektiert wurden.
 

Es gab unterschiedliche Formen des gemeinschaftlichen Lebens von Frauen. Die Einen führten ein religiöses Leben in der Einsamkeit, ermöglicht auch durch den Bruch von der Familie.
 

Bei Aldegundis bestand der Bruch mit der Familie darin, das Gelübde der Armut zu leben; die mystischen Erfahrungen der hl. Aldegundis werden im Zusammenhang zur geistlichen Welt der iroschottischen Mönche gesehen.
 

Aldegundis realisierte dieses Ideal: Rückzug aus der Familie – durch plötzlichen Tod der Eltern – in eine verlassene und kaum zugängliche Sumpf- und Flüsse-Region. Damit waren die Aspekte der Sicherheit und die materielle Lebensbasis gegeben.
 

Kirchenfenster in  Emmerich
St. Aldegundis in der Einsamkeit – in Maubeuge – Kirchenfenster in St. Aldegundis, Emmerich

 

Ihre religiöse Inspiration, von iroschottischen Mönchen geprägt, erfuhr sie in Nivelles, dem Kloster der hl. Getrud. Hier erhielt sie auch geistliche Unterstützung und Anweisung durch den hl. Bischof Amand.
 

Ihre Visionen sind von hoher Bedeutung und werden mit jenen der Theresa von Avila verglichen. Daher wird das Buch, das sie auf Bildern in der Hand trägt als das „Hohelied Salomos“ erkannt.
 

Aldegundis blieb sehr an Nivelles gebunden, wo sie ausgebildet wurde, sie kehrte 5 Tage vor ihrem Tod dorthin zurück (aus vita prima) und es ist eine Nonne aus Nivelles, die zur Zeit von Aldegundis Oblate war, die die Vita prima mit viel Finesse und Poesie verfasste. Die irische Spiritualität und die von St. Amand sind einander sehr nahe und tendieren zur Mystik und Kontemplation.
 

Die Klöster der columbanischen Mönchsbewegung hatten nach irischer Tradition eigene Bischöfe, die Weihehoheit hatten; die Klöster suchten von den – teils verweltlichten Bischofsfamilien - frei zu sein und sich dem Papst direkt zu unterstellen.
 

Die Peregrinatio propter Christum – die Pilgerschaft in der Nachfolge Christi – führte dazu, daß es wesentliche Aufgabe eines Klosters war, Fremde zu beherbergen, Pilgerhospize zu unterhalten, Pilger zu beschützen. In diesem Habitus, dieser Haltung des unruhigen, suchenden Menschen sehen manche die Grundlage für die Entwicklung des fragenden, forschenden und christlichen Abendlandes.
 

Der Einfluss des radikal-christlichen Mönchtums auf eine noch sehr rohe, sich eben formierende Adelsgesellschaft war überwältigend. Die religiöse Faszination rief zahlreiche Klostergründungen hervor. Kinder der Adligen suchten mit allen Kräften dorthin zu kommen, um ewigen Lohn zu erlangen. Sie gaben weltlichen Schmuck und Prunk auf, um ein Leben in der Nachfolge Christi zu realisieren. Zudem war der Durst nach geistigen Werten sehr ausgeprägt. Römische und griechische Literatur gelangte durch die irischen Mönche auf den Kontinent. Diese hatten schon sehr früh Zugang zur Patristik und zu Werken des Isidor von Sevilla, des Vermittlers zwischen Antike und Neuzeit. Isidor von Sevilla hatte u.a. auch ein Werk zum Apostel Jakobus d. Ä. verfasst.
 

In dieser geistlichen Atmosphäre ist die Entscheidung der Hl Aldegundis gefallen, ihr Leben Christus zu weihen.

3. Lebenswege der hl. Aldegundis

Aldegundis hegte sehr früh den Wunsch, ein christusorientiertes Leben zu führen.. Nach dem Tod ihrer Eltern um 645/650 in Cousolre floh sie in politisch unruhiger Zeit in eine unbewohnte, sumpfige Region am Fluss Sambre, wo sie als Einsiedlerin in Malbodium (Maubeuge) lebte.
 

Der Kontakt zu Bischof Amand ist vor folgendem Hintergrund zu sehen: St. Amand wurde zwischen 649 und 652 zum Bischof von Lüttich/Maastricht ernannt, geriet aber in Konflikt mit dem örtlichen Klerus, den er reformieren wollte. Von dort kehrt er über Nivelles in sein Kloster Elnone (Saint-Amand) zurück.
 

Dort traf er übrigens Itte, Witwe von Pippin dem Älteren, und seine Tochter Gertrude, die im gleichen Alter wie Aldegundis war; die beiden Frauen zogen sich nach Nivelles in eine alte römische Villa zurück und brachten dort irische Mönche, darunter Sobin, dessen Schülerin Aldegundis wurde Sie lernte so Amand auf der Durchreise kennen, der ihr spiritueller Leiter wurde.
 

Aldegundis besprach mit Bischof Amand, durch die Gnade Christi zur Jungfrau geweiht zu werden und hoffte auf eine Sondererlaubnis, unter dem Alter von 40 Jahren den Schleier zu bekommen. Dies gelang nicht, sie musste bis zum Mindestalter von 40 Jahren warten.
 

Schließlich nahm sie im Alter von 40 Jahren den Schleier um 665/670 durch Aubert von Cambrai im Kloster Hautmont; bei dieser Zeremonie erschien in Gestalt einer Taube der Heilige Geist. Die Schleierübertragung durch den Bischof und die Präsenz des Heiligen Geistes in Gestalt der Taube werden als „ordinatio diaconale“ gesehen.
 

Nach der Schleierübertragung ging sie zu ihrer Einsiedelei zurück. Es kamen schnell Besucher und Angehörige berühmter Familien, die ihr ihre Töchter anvertrauten. In dieser Situation wurde der Wunsch deutlich, um 661 in Malbodium eine Kirche und zwei Häuser, das ursprüngliche Kloster zu errichten. Sie wurde dessen Äbtissin.
 

Äbtissin mit Stab Emmerich
St. Aldegundis als Äbtissin mit Stab; die Taube symbolisiert die Verleihung des Nonnenschleiers Mosaik, Aldegundiskirche Emmerich
 

Aldegundis legte wie in jeder christlichen Gemeinschaft ihre Schwerpunkte auf die Verehrung und enge Verbindung zu Jesus Christus und dann konsequent auf die Kranken- und Armenfürsorge.

4. Besondere Aspekte des Lebens der hl. Aldegundis

Aldegundis lebte als „mater sanctimoniales“, als Mutter von Seelen nach einer speziellen Klosterregel des Walbert von Luxeuil, einer Kombination der Bußregeln von Columban und der Regel Benedikts, genannt „modo luxoviennes“ (Luxueil). Sie war zugleich Herrin, mater animarum (Pfarrer), mater sanctimoniales. Ihre Gemeindeverwaltung war kollegial mit einem Ältestenrat, der bis zur Revolution im Amt war.
 

Wie Diakoninnen kümmerte sie sich um die Taufe von Kleinkindern, indem sie Kleider herstellte; sie brachte den Kranken die Eucharistie, bildete die jungen Nonnen aus, pflegte und baute die Kirchen in ihren Besitztümern.
 

Aldegundis als Mutter von Seelen zielte auf eine missionarische Kirche hin. Die Pastoral war zeitgemäß: zunächst wurde die Taufe angestrebt und sodann die Sorge um die „Armen Christi“, für die sie Dienerin der Diener für die Kranken sein wollte.
 

Aldegundis handelte auch als Chefin in vier Aufgabenbereichen der Klostergemeinschaft:

• Fischfang (Süßwasserfische)

• Brunnen- (Wasser-)wirtschaft

• Hirtenfunktion

• Handel- und Bankwesen (!)
 

Bestimmende Partner waren nur zwei: Gott und die Klostergemeinschaft (Bischöfe waren nach iroschottischen Idealen Äbten (Äbtissinen) der Klöster untergeordnet).
 

Aldegundis starb an Brustkrebs. Daher wird sie als Nothelferin bei Krankheiten, vor allem bei Krebs, und Todesgefahr verehrt.
 - St. Aldegundis uns bewahr vor Fieber, Krebs und Todsgefahr!
 

Kirchenfenster in Emmerich
- Aldegundis in der Armenfürsorge – Kirchenfenster in St. Aldegundis, Emmerich
 

5. Erhebung der Reliquien

Reliquien der hl. Aldegundis wurden durch Bíschof Hildoard von Cambrai den Abteien St. Riquier und St. Vaast zugesprochen. Abt Rado, Kanzler Karls des Großen, errichtete 799 einen Altar zu Ehren Aldegundis in der Abtei St. Vaast von Arras.
 

Seit dieser Zeit gehört St. Aldegundis zur Aura der Heiligen der karolingischen Dynastie und wurde neben den Eltern Karls des Großen eine Prinzessin hohen Ranges.

 

Reliquiar in Emmerich 1-

Reliquiar in Emmerich2 Reliquiar der hl. Aldegundis – ca. 1925 – St. Aldegundiskirche, Emmerich
 

Das „Haus Habsburg“ führt unter den Heiligen der Familie auch die Heilige Aldegundis. Im 15.Jh. erbten die Habsburger den Hennegau. Zu dieser Zeit lebte der Aldegundis-Kult wieder auf. Dies begründet, daß die hl. Aldegundis als Figur am Grabmal Kaiser Maximilians I. in Innsbruck, errichtet um 1515, mit anderen vertreten ist. Zita, die letzte österreichische Kaiserin, hatte Aldegundis als Vorname, wie die Töchter Ruprechts aus Bayern.

StAldegundis-Figurine
Figurine von St. Aldegundis am Grabmal Kaiser Maximilians I., Hofkirche, Innsbruck, 16. Jh.
© Tiroler Landesmuseen/Hofkirche, Johannes Plattner
 

St. Aldegund ist mit einem Rosenkranz als Symbol für das kontemplative Beten dargestellt. Die linke Hand hat wohl den Hirtenstab einer Äbtissin gehalten.
 

Weitere „habsburgische Heilige“, sind u.a. Waltraud von Mons (Schwester von St. Aldegund), Venantius Fortunatus, Albertus Magnus u.a.

6. Ikonographie der hl. Aldegundis:

Die hl. Aldegundis wird mit Äbtissinenstab, mit Buch des „Hohenliedes“ (nicht der Klosterregel) und der Taube (s.o.) dargestellt, manchmal wird sie auch mit einer Taube und einem Schleier oder mit einem Krebs (Krankheit) als Attribute abgebildet.
 

Aldegundis-Reliquiar-EmmerichDas Aldegundis-Reliquiar in der Kirche St. Aldegundis, Emmerich, trägt die Symbole der Heiligen (von lks.n.r.): Taube des Heiligen Geistes, Schleier, Stab einer Äbtissin; Darstellung der Heiligen mit Buch (Hohes Lied) und darauf ein Krebs; Wappenschild mit Krone (Hinweis auf die adlige Abstammung)
 

7. Verbreitung des Aldegundispatroziniums:

Der Schwerpunkt der Verehrung der hl. Aldegundis liegt eindeutig im Raum des Reiches von „Neustrien“, also im Einzugsgebiet von Schelde und Maas. Hauptverkehrswege aus dem Südwesten des fränkischen Raumes nach Nordosten, z.B. nach Friesland verliefen entlang der Flüsse Sambre und Maas und stießen im Raum Lüttich, Tongern auf die römische Straße Richtung Norden, Nordosten von Austrien, des dann fränkischen Herrschaftsgebietes. (Wege der Jakobspilger)
 

Aldegundis-Patroziniums KarteRegionale Verbreitung des Aldegundis-Patroziniums Karte aus dem Buch von Otto Dittrich, “St. Aldegundis, die Heilige der Franken.”
 

In fränkischer Zeit hatten Klöster u.a. aus dem Raum des damaligen Flanern Besitz am Niederrhein. Sie brachten die in ihren Klöstern verehrten Heiligen mit an den Rhein. So erklärt sich die Verehrung der hl. Aldegundis in Emmerich: das Kloster St. Vaast (Arras, z. Zt. von Aldegundis Flandern) hatte Besitz in Emmerich. In St. Vaast gab es eine Reliquie von St. Aldegundis. Ihre Verehrung verbreitete sich weiter außerhalb des engeren Einflussbereichs in Flandern, in den heutigen Niederlanden und Nord-Frankreich. In Emmerich war die „oude Kerk“ zunächst als Stiftskirche, möglicherweise zurückgehend auf St. Willibrord, Bischof von Utrecht, dem hl. Martin geweiht.
 

Hl. Willibrord, mit Kirchensymbol
Hl. Willibrord, mit Kirchensymbol, Gründer der ersten Stiftskirche St. Martini; Mosaik in der St. Aldegundiskirche, Emmerich
 

Die „oude Kerk“ wurde um 1000 nach der Verlagerung des Stiftes an die Stadtgrenze nun der hl. Aldegundis geweiht.
 

Für die anderen Standorte der Aldegundisverehrung wird es eigene Gründe geben. In St. Aldegund, Mosel, ist es möglicherweise ebenfalls Klosterbesitz in diesem Dorf, nämlich des Klosters in Pfalzel (Trier), wo eine Verwandte der hl. Aldegundis Äbtissin war.
 

8. Aktuelle Bedeutung des Lebens und Wirkens von St. Aldegundis

Schaut man auf die Lebensgestaltung und das Wirken der hl. Aldegundis, so ergeben sich zunächst erstaunliche Vorgaben für aktuelle Lebensgestaltung von Menschen, speziell Frauen, obwohl die hl. Aldegundis vor rd. 1.300 Jahren lebte. Folgende Aspekte sind hervorzuheben:

- 1. Sie orientierte sich kompromisslos an der Nachfolge Christi; Gott erfuhr sie als Realität. Geld, Vergnügungen aller Art, Status von Adligen u.a. lehnte sie als Ziel ihrer Lebensgestaltung ab, sie lebte selbst asketisch, orientiert auf Gott hin; sie kannte die Anmaßung der „Selbstverwirklichung“, den Kult der Egozentrik lehnte sie ab;

- 2. Sie hatte als Organisatorin offenbar große Fähigkeiten und leitete auch als Ökonomin; erfolgreich ein Kloster; sie war eine Ihrer Werte bewusste Leiterin

- 3. Im Ergebnis praktizierte sie uralte, heute wieder entdeckte Managementpraxis: Führen durch Dienen.

- 4. Sie setzte die zwei Kernaufgaben christlichen Lebens um:

- a. Sorge um die Menschen in materieller und geistlicher Not

- b. Aufklärung über, Zeugnis geben für Inhalte des christlichen Glaubens, der Glaubensweitergabe
 

Leben und Wirken der hl. Aldegundis sind beispielgebend. Heute würde man kurz sagen: sie ist eine „taffe Frau“!
 

HJA Juni.2023
 

 

Vortragsreihe zur Lebensgeschichte der heiligen von Pfarrer Otto Dittrich, Staffelstein, 1970.:

Pfarrer und Dekan Otto Dittrich, viele Jahre Pfarrer in Staffelstein/Franken,  hat wie kein anderer Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre Leben und Wirken der heiligen Aldegundis erforscht, ebenso die Verehrung der Heiligen bis zu heutigen Tag.

Zusammengefasst hat er seine Recherchen in seinem 1976 erschienenen Buch „St. Aldegundis, eine Heilige der Franken“. Im Rahmen seiner Recherchen besuchte Pfarrer Dittrich nahezu alle Gemeinden mit Verehrung der Heiligen in Deutschland, den Niederlanden, in Belgien, Frankreich und Luxemburg.

Der nachfolgende Text stammt aus dem Konzept einer Vortragsreihe, die Pfarrer Dittrich in den Jahren 1970-1973 hielt:

Die Lebensgeschichte

von Pfarrer Otto Dittrich, Staffelstein, 1970.

Wie bei vielen Heiligen hat die Liebe und Verehrung des gläubigen Volkes im Mittelalter auch in das Aldegundis-Leben viele legendäre Züge hineingewoben. Wir wollen zunächst versuchen, die rein geschichtlichen Daten aus ihrer Lebensgeschichte herauszuschälen.

Der Name „Adelgundis“ bedeutet „Edle Kämpferin“. Die ältere Form lautet „Aldegundis“, das von den Flamen und Wallonen in „Aldegonde“ verwandelt wurde. Nach übereinstimmender Überlieferung wurde Adelgundis um 630 in Cousolre im Hennegau geboren als zweite Tochter des reichen und mächtigen Grafen Walbert IV aus dem Geschlecht der Merowinger. Dagobert I. stand damals an der Spitze des von seinem Vater Chlotar II wiedervereinigten Frankenreiches. Er führte ein ziemlich friedliches Regiment und ließ die Kirche ihre segensreiche missionarische und caritative Tätigkeit ungehindert entfalten.
 

Auch Walbert war wie seine Brüder ein blutiger Raufbold und diente als Heerführer in der Palastgarde des Königs. Doch steckte auch ein guter Kern in ihm und gegen Ende seines Lebens zog er sich – wohl auch unter dem Einfluss seiner frommen Töchter Waltraud und Adelgndis – als Einsiedler in die Wildnis zurück, um sich dem Gebet und der Buße hinzugeben und seine Reichtümer großherzig für die Armen zu verwenden.
 

Die Mutter, Berthilia, eine thüringische Fürstentochter, hatte wohl ihren beiden Töchtern eine gute christliche Erziehung zuteilwerden lassen, hätte aber scheinbar doch alle beide am liebsten in einer standesgemäßen Ehe glücklich verheiratet gesehen. Bei ihrer großen Tochter Waltraud erfüllte sich dieser Wunsch. In einer glücklichen Ehe mit dem Fürsten Madelgar gebar sie vier Kinder, was allerdings nicht hinderte, dass die beiden Eltern nach dem Heranwachsen ihrer Kinder ihre Ehe auflösten und in eigene von ihnen gegründete Klöster gingen, die sie bis zu ihrem Tode leiteten.
 

Madelgar gründete in Haumont ein Kloster und leitete es bis zu seinem Tode unter dem Namen „Vinzenz“ Waltraud stiftete das Kloster „Chateau-Lieu, aus dem sich die heutige belgische Stadt Mons entwickelte. Der Schrein mit ihren Reliquien befindet sich in ihrer Kirche St. Waudru, einer wundervollen gotischen Kirche von den Ausmaßen eines Domes und wird alljährlich am Dreifaltigkeitsfest auf einem vergoldeten Prunkwagens in feierlicher Prozession durch die Stadt geführt, von sechs Pferden gezogen und umbrandet von dem Jubel und der Verehrung des gläubigen Volkes.
 

Bei ihrer zweiten, um zehn Jahre jüngeren Tochter Adelgundis stieß Berthilia mit ihren Heiratsplänen von Anfang an auf hartnäckigen Widerstand und das führte scheinbar zu einem zeitweiligen tiefen Konflikt zwischen Mutter und Tochter, der zur Flucht der Tochter aus dem Elternhaus führte. Dadurch erschüttert und ernüchtert kam Berthilia zur Einsicht und ließ ihre Tochter gewähren Als ihr Mann in seiner Einsiedelei gestorben war, widmete auch sie sich unter Adelgundis Zureden über die Nichtigkeit der irdischen Güter einem zurückgezogenen Leben, das der Sorge und dem Dienste an den Armen und Notleidenden geweiht war.

So kam es, dass die beiden Ehegatten Walbert und Berthilia in ihrer Heimat Cousolre bis zum heutigen Tage als Heilige verehrt werden, deren Figuren am Hochaltar der dortigen Kirche das Bild ihrer Tochter flankieren.
 

Die bedeutendste Gestalt in dieser Familie war ohne Zweifel Adelgundis. Sie scheint schon als zartes Kind ein besonders aufnahmefähiges Herz für die übernatürliche Welt des Glaubens gehabt zu haben und wenn man den Biographen glauben darf, muss sie schon in frühester Jugend vertrauten Umgang mit Christus, den heiligen Engeln und dem Apostel Petrus gehabt haben, die sie teils im Glauben unterrichteten, teils in ihrem Vorhaben der Brautschaft Christi bestärkten und in Anfechtungen trösteten.
 

In der damaligen Zeit kannte man noch keine Mystik in der Kirche, die erst im Mittelalter zur Blüte kam. Trotzdem wird man nicht alle derartigen Visionen und mystischen Erlebnisse der heranwachsenden Jungfrau samt und sonders in das Reich der Legende und der Dichtung verweisen dürfen. Sie schrieb ja auch ihre visionären Erlebnisse in lateinischer Sprache nieder und übergab sie ihrem Seelenführer, dem heiligen Abt Sulpinus von Nivelles. Sie sollen in verschiedenen Klöstern die Runde gemacht haben. Tatsache ist jedenfalls, dass Adelgundis sich schon sehr frühzeitig zu einem Leben ungeteilter Hingabe an den Dienst Gottes entschloss und sich in diesem Entschluss durch nichts mehr irremachen ließ.
 

In ihrem Leben spielte eine große Rolle der heilige Bischof Amandus, der auch der Apostel Flanderns genannt wird. Er war ursprünglich Bischof von Maastricht, später in Haumont, wo Madelgar, alias Vinzenz, sein Kloster gründete. Außerdem sind die Bischöfe Aubertus von Cambrai und Eligius von Noyon zu nennen. Nach mancher Lesart soll Amandus, nach anderen Aubertus, Adelgundis nach vorausgegangener Prüfung zur Klostergründung ermutigt und sie feierlich eingekleidet und zur Äbtissin geweiht haben. Eine dritte Lesart sagt, dass die beiden Bischöfe dabei beteiligt waren. Es war im Jahre 661. Sie wäre also 31 Jahre alt gewesen.
 

Die Klostergründung.
Mit ihrem reichen väterlichen Erbe gründete die Heilige 15 km westlich ihres Geburtsortes Cousolre an den Ufern der Sambre mitten in einer unwirtlichen Wildnis ein Kloster, für das erst große Rodungen durchgeführt werden mussten. Adelgundis gab dem Platz den Namen „Malbodium“ (französich: Mauvais bois = schlechter, schlimmer Wald), aus dem sich der Name der heutigen Stadt Maubeuge entwickelte.
 

In einer Urkunde, die in Abschrift noch vorhanden ist und am 10. Juni 661 unterzeichnet wurde, vermachte Adelgundis ihren sämtlichen Besitz zur Ehre Gottes und zum Wohl der Armen. Einerseits sorgte sie damit für den gesicherten Fortbestand ihrer frommen Stiftung und für den Lebensunterhalt ihrer geistlichen Töchter und der zu ihrer Betreuung angestellten Priester, andererseits bestätigte sie damit ihre große Liebe zu den Armen und Kranken, in denen sie die Brüder und Schwestern Christi sah. Übrigens ist die genannte Urkunde auch von der heiligen Waltraud, dem heiligen Abt Vinzenz und dem heiligen Bischof Landrich unterschrieben. Darin können wir wohl den Beweis sehen, dass es sich um Familiengüter handelte, über die Adelgundis mit dem Einverständnis ihrer engsten Familienangehörigen verfügte. Wahrscheinich befand sich dabei auch die Mitgift ihrer beiden Nichten Adeltrud und Madelberta, die wir von allem Anfang an in der neuen Stiftung von Maubeuge antreffen und die auch die beiden nächsten Nahfolgerinnen ihrer Tante in der Leitung des Klosters werden sollten.
 

Die Klosterregel:

Nachdem also die Stiftung Maubeuge fertiggestellt und besiedelt und für ihre materielle Sicherheit gesorgt war, machte sich Adelgundis an den inneren Aufbau ihres Werkes, vor allem durch die Verfassung einer Regel für das gemeinsame Leben ihrer geistlichen Familie. Sie baute dieselbe auf der Pflege der Demut als der Grundlage aller Tugend auf, ferner auf einer strengen klösterlichen Zucht und Disziplin, die sie freilich als gotterleuchtete Person stets mit der richtigen Klugheit und Güte wahrzunehmen wusste. Außerdem gehört das gemeinsame kirchliche Chorgebet zu den Hauptaufgaben des Konvents.
 

Sicher hat sich Adelgundis bei der Abfassung ihrer Regel auch von ihren frommen und heiligmäßigen Freunden beraten lassen, wie von den heiligen Bischöfen Amandus, Aubertus, Eligius, dem Abt Sulpinus, ihrer Schwester Waltraud und ihrem Schwager Vinzenz, die in den Dingen des geistlichen Lebens Erfahrung hatten.
 

Manche ihre Biographen wollten der Heiligen unterstellen, dass sie die Regel des heiligen Benedikt übernommen und also Benediktinerin gewesen sei. Das dürfte aber kaum stimmen. Wohl war die Benediktinerregel im 7. Jahrhundert von England bereits nach Frankreich und der Schweiz gelangt, aber eine größere Verbreitung dürfte sie im 7. Jahrhundert wohl kaum schon gehabt haben. Aus allen Urkunden der Stiftung Maubeuge geht hervor, dass es sich hier stets um ein adeliges Damenstift handelte mit einer kirchlich benedizierten Äbtissin, also sozusagen um ein Chorfrauen- oder Kanonissenstift, das nichts mit einem Benediktinerinnenkloster zu tun hatte.
 

Krankheit und Tod der Heiligen:

Auf vielen Bildern der Heiligen sehen wir an ihrer Seite auch einen Engel dargestellt, der ihr das Kreuz entgegenhält. Das soll bedeuten, dass sie als echte Christusjüngerin ihrem Herrn und Meister auch das Kreuz in ihrem Leben nachzutragen hatte. In ihrem letzten Lebensabschnitt erfasste sie ein böses Krebsleiden an der Brust, das ihre Lebenskraft langsam aufzehrte und ihr große Schmerzen bereitete, Fieber und Durst gesellten sich dazu. Ihr Tod fiel wahrscheinlich auf den 30. Januar 686 weshalb ihr Fest bis heute noch an diesem Datum gefeiert wird.
 

Zuerst fand sie ihr Grab in Cousolre an der Seite ihrer Eltern. Nach einigen Jahren ließ sie ihre Nichte und Nachfolgern, Adeltrudis, an einem 13. November nach Maubeuge überführen, wo ihre Gebeine jahrhundertelang in der Krypta der rechten Seitenkapelle des sogenannten alten Münsters ruhten und bald das Ziel zahlreicher Pilger waren die in verschiedenen Anliegen, besonders aber in Krebsleiden und anderen Krankheiten, ihre Hilfe anriefen.
 

Wir sehen deshalb den Krebs sehr häufig bei ihr abgebildet. Wann ihre Kanonisierung erfolgte, ist nicht mehr feststellbar. Ihr Name ist bereits in einer Heiligenlitanei Ludwigs des Frommen (778 – 840) zu finden und ebenso in den ältesten deutschen Martyrologien, z.B. des Rhabanus (+ 850), Usuardus (+ 875) und des Notker (+ 812)

Chronik der Reliquien der hl. Aldegundis

Jean HEUCLIN – la Voix du Nord

Orientierungspunkte der Geschichte von Reliquien der hl. Aldegundis
 

Im Jahr 798 Übertragung und Erhebung (élévation) von Reliquien von St. Aldegund durch den bischöflichen Erneuerer Hildoard von Cambrai. Bau einer neuen Kirche St. Peter und Paul und Übertragung der Aldegundisreliquien von der Gedächtnisstätte in Cousoire in das 12 km entfernte Maubeuge. Von dort wurden sie zur kaiserlichen Abtei von Saint-Riquier - Bau der Abtei begann bereits im 8. Jahrhundert, zur Zeit der Karolinger wurde das Kloster von bekannten Persönlichkeiten, wie Angilbert und dem Kaiserenkel Ludwig geleitet. – und dann St. Vaast von Arras, wo ein Altar auf St. Aldegundis geweiht wurde. Dort wurde auch ein Epitaph des großen Meisters der Schule, Alkuin – Berater und Biograf von Karl dem Großen – errichtet.
 

Am 26. 3. 1039 wurden im religiösen Zusammenhang des 11. Jh. die Reliquien von St. Aldegundis von der Krypta der alten Kirche in einen Holzsarg übertragen und in die Kirche Peter und Paul zur Verehrung gestellt. Bei dieser Gelegenheit wurde eine neue, populäre Biographie durch den Priester Thierry von St. Hubert verfasst, der ein Bruder der Äbtissin Ansoalde war. Der Ortsname von Maubeuge entwickelte sich gemäß der Legende der Gründerin über malbodium (mal bois - schlechter Wald).
 

Am 6. 6. 1161 begann der Aufstieg der Tuchfabrikation, das Wein- und Ledergeschäft in Maubeuge gefördert durch das Flussnetz von Maas und Rhein. Dies regte die Bischöfe von Cambrai an, das komfortable Klosterleben der Kanonikerdamen zu reformieren, die durch den Prediger Jacques de Vitry (1165 – 1240) am Ruf der zisterziensischen Armut gemessen wurden. Stur und mit Unverfrorenheit wiesen die Damen den Wechsel ihrer Statuten, die seit 200 Jahren galten, zurück; dieser Vorgang begleitete lange Zeit einen Prozess in Rom. In diesem Streit förderten sie die Verehrung ihrer Gründerin dadurch, daß sie einen neuen silbernen Reliquienschrein mit goldenen Verzierungen erstellen ließen. Der Körper und der Kopf wurden dann in Anwesenheit des Erzbischofs von Cambrai, Nicolas, in zwei verschiedene Behälter deponiert. Nicolas war ein Bruder von Gossuin, Burggraf von Mons, sowie des Bischofs von Laon, Gautier von Mortagne und Graf Balduin IV (Baudouin IV) von Hainaut; es war das gleiche Vorgehen wie 1157 zu Mons. Das Datum vom Pfingstdienstag bezeichnet den Beginn einer imposanten und populären Prozession bis 1265.
 

Am 26. 5. 1439 in Zeiten florierender Wirtschaft traf Maubeuge die Pestplage, den Klimawandel und die Zerstörungen durch Straßenräuber. Die Kirche war durch das päpstliche Schisma während des Konzils von Basel geprägt. Flagellanten-Bruderschaften führen Heilig-Blut-Prozessionen durch, die in großartigen Kirmesallüren und in Konkurrenz zur Aldegundisverehrung auftreten. Das Kapitel beschloss, die Prozession mit Feierlichkeiten wieder aufzunehmen. Am 26. 5. 1439, dem Pfingst-Mittwoch erfolgte eine Überführung der Reliquien von St. Aldegund durch den Koadjutor von Cambrai in ein goldenes und silbernes Reliquiar, das mit Skulpturen aus dem Leben der Heiligen geschmückt wurde. Besitzstolz zeigend wurde der Kopf in einem Reliquiar eingebracht, der mit einer Diamantenkrone und einer Edelsteinkette geschmückt wurde und die vorherige Blumenkrone seit Beginn der Prozession ersetzte.
 

Am 6. 5. 1478 wurde der wertvolle Reliquienschrein während eines Einfalls durch Truppen Ludwig XI. zerstört; es verblieb ein kleiner Rest, wie eine Beschreibung aus 1482 belegt.
 

Die schwarzen und dann grauen Schwestern stifteten ein Hospital für die Stadt. – Der Chef von St. Aldegundis zog dann Geld-einsammelnd durch die Niederlande um die Gebäude des Kapitels wieder aufzubauen.
 

Am 16. 6. 1503 wurde ein neues Silber-Reliquiar erstellt, geschmückt mit goldenen und Edelstein Preziosen sowie acht Medaillons mit Szenen aus dem Leben der hl. Aldegundis. Ein Inventar über alle Reliquien und Ausschmückungen der Kirche von St. Aldegund wurde 1520 erstellt. Die Kirche von Cousoire wurde von 1503 bis 1525 wieder errichtet.
 

Im Jahre 1559 wurde der Frieden von Cateau-Cambrésis in Cateau-Cambrésis, südöstlich von Cambrai, zwischen Heinrich II. von Frankreich, Philipp II. von Spanien und Elisabeth I. von England geschlossen. Der Friede beendete die französisch-spanische Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in Europa, insbesondere in Italien. - Der Friede von Vervins (2. Mai 1598) beendete den von Spanien seit 1590 gegen Frankreich geführten Krieg. Die Regelungen des Friedens von Cateau-Cambrésis von 1559 wurden weitgehend bestätigt; der spanische König Philipp II. verzichtete für sein Reich auf sämtliche Ansprüche gegen Frankreich. Der Konflikt mit den Protestanten in den Niederlanden bildete auch einen wichtigen Hintergrund. Die Gegenreformation wurde von Oratorien und Jesuiten getragen; letztere trugen sehr zur Verbreitung des Aldegundis-Kultes bei; St. Aldegund wurde so zur Patronin der Niederlande mit einem Seiten-Blick auf die Franzosen seit den Jahrtausenfeiern von Maubeuge im Jahre 1661.
 

Im Jahr 1678 wurde im Zuge des Friedens von Nijmegen Maubeuge stärker in die Interessensphäre von Frankreich einbezogen. Vauband baut eine Festung aus, die Stadt wurde eine Garnison. Das Kapitel zog sich mit Erfolg zurück, behielt seine Waldgüter und baute ein Pensionat für junge Mädchen aus guten Familien.
 

Die letzte feierliche Prozession der Aldegundisreliquien war 1791, begleitet durch französische Gardisten und vor der Auflösung des Kapitels und den Verkauf als nationales Gut. Das Reliquiar wurde durch die Bevölkerung und den Gemeindeverwalter vor der Requisite am 4. 10. 1792 gerettet.
 

Am 26. 6. 1808 wurden die Reliquien in einen aus vergoldetem Holz erstelltem Reliquiar eingebracht, der beim Einzug der Preußen in die Stadt am 30. 6. 1815 wieder zerstört wurde.
 

Eine erneute Erhebung der Reliquien erfolgte 1819, deren Reste wurden dann in einen Behälter aus Hirschhaut platziert, der wiederum in ein vergoldetes, kupfernes Reliquiar in Form der Kirche mit Szenen aus dem Leben von St. Aldegund deponiert wurde. Aber dieser wurde dann während der Belagerung am 16. 5. 1940 durch die Wehrmacht zerstört.
 

Am 30. 1. 1971 schuf Felix Roulin ein modernes Reliquiar. Dieser enthält die Reste des Ossuariums, das 1815 zerstört wurde.
 

Übersetzt von Dr. Hans Jürgen Arens im März 2021